Vom Glück zur Schule gehen zu dürfen

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Warendorf. ,,Bienvenue - Willkommen" steht auf dem bunt bemalten Plakat, das einem ganz besonderen Gast den Weg in das Klassenzimmer weist: Abbé Marcellin Quédraogo lächelt gerührt, als er den Raum der 9.3 betritt. Der Priester kommt von weit her, aus dem fernen Burkina Faso, um den Schülern der Gesamtschule Warendorf von seiner Heimat zu erzählen.

Im Rahmen des Weltmissionsmonats ist Abbé Marcellin derzeit als Botschafter des katholischen Hilfswerks missio im Bistum Münster unterwegs. Der 32-Jährige arbeitet als Jugendseelsorger in der Region Quahigouya im Norden des westafrikanischen Binnenstaates. Mit einem sanften Lächeln blickt er in die Runde und bedankt sich höflich für die kleine Ansprache, mit der die 14-jährige Miruna Leone den Gast in fließendem Französisch begrüßt. ,,Ihr seid sehr freundlich", sagt er zu den Schülern und fügt mit Nachdruck hinzu - ,,und ihr habt großes Glück, weil ihr in die Schule gehen dürft".

Was für die Jugendlichen hierzulande ein selbstverständliches und für manche ein zuweilen zweifelhaftes Vergnügen ist, bedeutet für die Kinder in Quédraogos Land ein Privileg. Statt die Schulbank zu drücken, müssen sie in den illegalen Goldminen des Entwicklungslandes schuften, um damit sich selbst und ihren Familien das Überleben zu sichern.

Ganz still werden die Schüler der 9. Klasse, als der junge Seelsorger von seiner täglichen Arbeit berichtet. Von Zwangsheirat und Prostitution ist die Rede, von Mädchen, die tagsüber Steine klein klopfen und mit giftigem Chemikalien hantieren, um an das wertvolle Metall zu gelangen, das von Afrika über Kanada auf dem Schwarzmarkt bis nach Europa gelangt. Die Hintergrundinformationen über die illegalen Goldminen von Burkina Faso haben die Neuntklässler vorbereitend im Fach Gesellschaftslehre mit ihrer Lehrerin Marita Bils-Weymerich erarbeitet - sie nun aber aus erster Hand zu hören, berührt und beeindruckt die Jugendlichen sichtlich.

Um den Menschen vor Ort zu helfen, plant Abbé Marcellin mit der katholischen Hilfsorganisation missio ein Begegnungszentrum mit einer Erste-Hilfe-Station, einem Gebets- sowie Versammlungs- und Unterrichtsräumen.

Bei dem Besuch in Schulen gehe es aber nicht darum, zum Spenden aufzurufen, betonte Hans-Georg Hollenhorst, Diözesanreferent im Bistum Münster. Vielmehr werde den Schülern ein Einblick in die Lebenswelt von Gleichaltrigen ermöglicht, die so ganz anders aufwachsen als sie selbst. Eindringlicher, nachhaltiger kann eine Unterrichtsstunde kaum sein.

 

Hintergrund: Burkina Faso

 BurkinaFasoDas 267.000 km² große Binnenland im Westen Afrikas gehört zu den fünf ärmsten Ändern der Welt. Mehr als 40 Prozent der 20 Millionen Burkinabé lebt unter der absoluten Armutsgrenze von weniger als 1,90 Dollar pro Tag. Die meisten Menschen betreiben Kleinstlandwirtschaft und versuchen mangels alternativer Einkünfte ihr Glück im illegalen Goldabbau.

Anhänger von Naturreligionen und Christen (hauptsächlich Katholiken), sind gegenüber den Muslimen (über 60 Prozent) in der Minderheit, das Zusammenleben gestaltet sich friedlich.

 

Text/Foto: Schenk

 

 

 

 

 

Mit bloßen Händen nach Gold suchen

Abbé Marcellin berichtet vom Schicksal der Kinder in Burkina Faso

Warendorf (pbm/acl). Lachend balanciert Abbé Marcellin Ouédraogo mit einer Schüssel auf dem Kopf durch das Klassenzimmer der 9.3 der Gesamtschule Warendorf. Dann zeigt er auf eine Schülerin, die es ihm sofort nachmacht. „Wow, ist das schwer!“, ruft sie. In Burkina Faso, wo Abbé Marcellin herkommt, sind es die Frauen, die die Hauptlasten des afrikanischen Alltags tragen. Täglich holen sie Wasser von kilometerweit entfernten Brunnen und tragen Körbe mit Früchten zum Verkauf auf den Markt.

Der 33-jährige Priester möchte den Schülerinnen und Schülern etwas von seinem Land und seinem Alltag erzählen. Auf Einladung des katholischen Hilfswerks „missio“ tourt er anlässlich des „Monats der Weltmission“ durch das Bistum Münster, begleitet von Hans-Georg Hollenhorst, „missio“-Diözesanreferent, und Pater Hans-Michael Hürter von der Fachstelle Weltkirche des Bistums.

Abbé Marcellin arbeitet als Jugendseelsorger im Bistum Ouahigouya im Norden Burkina Fasos. Er kümmert sich besonders um Kinder und Jugendliche, die in den illegalen Goldminen arbeiten. „Burkina Faso gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, den Menschen fehlt das Minimum zum Leben“, berichtet er den Jugendlichen. Viele Eltern können das Schulgeld nicht aufbringen. Um Geld zu verdienen, müssen die Kinder und Jugendlichen mitarbeiten. „Es ist die Armut, die sie in die Goldminen treibt“, sagt Abbé Marcellin.

Wie leben Jugendliche in Burkina Faso? Das möchten die Warendorfer Jugendlichen gerne wissen. Im Fach Gesellschaftslehre haben sie sich mit Klassenlehrerin Marita Bils-Weymerich auf den Besuch von Abbé Marcellin vorbereitet und Fragen überlegt. Die Situationen, die der afrikanische Gast anhand von Fotos zeigt, können sie sich kaum vorstellen: Jungen, die in tiefe, ungesicherte Schächte steigen, um nach Gold zu suchen; Mädchen, die mit bloßen Händen Steine kleinklopfen, damit das wertvolle Metall mit Quecksilber und Zyankali ausgewaschen werden kann.

Fassungslos sind die Gesamtschüler, als Abbé Marcellin erzählt, dass in Burkina Faso trotz eines Verbotes noch immer viele 14- und 15-jährigen Mädchen zwangsverheiratet werden. Doch viele junge Frauen widersetzen sich dem inzwischen und fliehen vor der Ehe mit einem meist viel älteren Mann. Die Kirche versuche diesen Mädchen ein neues Zuhause zu geben.

Auch Abbé Marcellin plant ein großes Hilfsprojekt – besonders für die Jugendlichen, die in den Goldminen arbeiten. „Im Moment bin ich einfach da, höre zu, begleite die Jugendlichen. Ich möchte ein ‚Zentrum der Begleitung‘ gründen, in dem es Versammlungs- und Unterrichtsräume gibt, außerdem eine Erste-Hilfe-Station und einen Gebetsraum“, erklärt er. Mit Hilfe von „missio“ und gemeinsam mit Gemeindehelfern und Sozialarbeitern möchte er die Kinder und Jugendlichen dort betreuen. „Ihr habt eine große Chance, hier an der Schule zu sein“, gibt er den Neuntklässlern in Warendorf noch mit auf den Weg, bevor diese ihn zum Abschluss für ein Erinnerungsfoto in ihre Mitte nehmen.